27. Februar 2018 Charme-Offensive für die Heimatstadt

Leserbrief von Dietmar Kinder, Elsdorf-Heppendorf:

Untertitel „Bürgermeister Heller empfing Gäste und ging hart mit Gegnern ins Gericht“ und dem Leserbrief „Eingeteilt in gewollt und ungewollt“ von Herrn Dr. Bernhard Ulbrich in Ihrer Ausgabe vom 2. März 2018

Zu nett, wie der Elsdorfer Bürgermeister Heller beim städtischer Frühlingsempfang – jetzt mitten im frostklirrenden Winter – die Leute für seine Sicht der Dinge erwärmen wollte. Kann man das, darf man das überhaupt anders sehen wie er? Ja man kann…, darf es aber nicht. Denn die mit einem anderen Blickwinkel „brauchen wir hier nicht und die wollen wir auch hier nicht“, meint jedenfalls der oberste Meister der Bürger. Also so einfach geht das: Kritiker als Nörgler und Schwarzseher diffamieren und, wenn’s nicht anders geht, ausbürgern. Aber was bleibt dann noch von Elsdorf, das sich doch gerade erst mit enormem Aufwand zur Stadt emporgeschwungen hat? Sein Werbefilm über Elsdorf – keine Waschmittelreklame kann da mithalten – mit dem vielstimmig wiedergekäuten Motto „Sag Ja zu Elsdorf“ zieht einem vor Begeisterung fast die Schuhe aus. Kein Wort zu dem, was Elsdorf mal wirklich ausmachte: Der riesige uralter Hambachwald, der Menschen seit Generationen von nah und fern anzog, nun abgeholzt und weggebaggert. Mit dem lebendigen Dorf Etzweiler mittendrin, mit Burg Reuschenberg, herrlichen Gutshöfen und einladenden Gasthäusern dazwischen. Da gab es mal eine blühende Gemeinde Elsdorf mit Zuckerfabrik und zwei Bahnhöfen, ohne Baggerlärm, ohne Wolken von lungen-aktivem Grob- und und alveolen-gängigem Feinstaub. Mit einem Kernort voller Leben, ohne Leerstände und Sackgassen in Richtung Tagebaugrube. Sicher, die Sonnenschirme und Liegen aus Blech am Grubenrand bei Berrendorf sollen den Leuten suggerieren, dass hier in achtzig bis hundert Jahren ein Badesee sein soll, der Elsdorf vielleicht zum Seebad macht. Über die Ostfriesen macht man gerne Witze, aber die trotzen der See immerhin Land ab. Bei den hiesigen Politikern kann einem das Lachen aber eher vergehen, denn die trotzen dem Land einen See ab. Aber vorerst dürfen hier die Bagger noch wühlen und uns zeigen, wie man Mondlandschaften herbeizaubert. „Terra Nova”, also „Neues Land” nennen die Macher diese Idylle, wozu notorischen Miesmachern nichts Besseres als „Verheizte Heimat“ und „Kohlrabien“ einfällt. Damit sich im Riesentagebau Hambach die Bagger Tag und Nacht tiefer und tiefer in die Erde hineinfressen können, wird bestes Grundwasser aus unterirdischen Gefilden unermüdlich abgepumpt. Elsdorf, wen wundert’s, sackt auf der ganzen Linie ab. Nun sage man mir nicht, die Risse in vielen Häusern haben nichts mit den Rissen in den Köpfen zu tun. Und die RWE-Power-Aktionäre, die meist ganz woanders wohnen, machen mit der Elsdorfer Kohle tüchtig Kohle und verkohlen uns noch obendrein, indem man uns weismacht, das sei alles nur zu unserem Besten. So gesehen wäre Elsdorf ja wirklich eine Stadt mit Zukunftspotential. Und es seien tatsächlich auch nicht die Wolkenberge aus den nahen Kraftwerken, die unserem Klima schaden, sondern vielmehr die Kritiker, Nörgler und Schwarzseher, die hier im „Eines-Fernen-Tages-Kurort“ das ganze Klima gründlich verderben. Wobei wir wieder bei dem hübschen Elsdorf-Filmchen und der fulminanten Hauruck- „I love Elsdorf“-Rede von Bürgermeister Heller wären. Und dabei hatte ich – hier am beschaulichen Grubenrand mit dem Weitblick ins Erdinnere – gleichwohl schon wieder so boshafte Worte wie „Terra Mala“ und „Speedway to the Abgrund“ auf der Zunge. Vielleicht werde ich doch bald einen Ausbürgerungsantrag stellen müssen.

Quelle:
27. Februar 2018 Kölner Stadt Anzeiger

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