20. Januar 2021 Elsdorf jammert über die schon vor Jahrzehnten vergossene Milch

Leserbrief von Dietmar Kinder, Elsdorf-Heppendorf:

Jetzt jammert die Stadt Elsdorf über die schon vor Jahrzehnten vergossene Milch. Es sind eher schon ganze Milchseen – um im Bild zu bleiben – die die frühere Gemeinde Elsdorf im Tagebau hat versickern lassen. Nun fordert die heutige Stadt Elsdorf finanzielle Entschädigungen für die Folgen der angerichteten Hambach-Misere. Warum verfügten wir, die wir seinerzeit die Bürgerinitiative „Verheizte Heimat“ gründeten, bereits über den Weitblick, den die Verantwortlichen der damaligen politischen Parteien (sowie deren Nachfolger) noch bis vor wenigen Jahren völlig vermissen ließen? Der Trick der Planer früher Tagebauentwürfe bestand darin, daß man anfangs sowohl von Hambach I (das bis heute verwirklichte Projekt bis dicht an die Dörfer) als auch von Hambach II sprach (dem praktisch die ganze heutige Stadt Elsdorf zum Opfer gefallen wäre).
Ein Blick auf jede normale Landkarte reichte aus, um die Abwegigkeit dieses Unterfangens zu begreifen. Wir von der „Verheizten Heimat“ haben letztlich (leider vergeblich !) versucht den Politikern zu verdeutlichen, wie sinnvoll es wäre, sich rechtzeitig für eine Rücknahme der Abbaugrenze einzusetzen, damit ein breiter Restwaldstreifen die Bewohner der Dörfer vor Lärm, Dreck und Feinstaub schützt.
Aber mit dem vorauseilend zustimmenden Blick auf Hambach II, und dem damit verbundenen Totalverlust des Hambachwaldes sowie sämtlichen Ortschaften Elsdorfs, war das Thema durch.
Nur mit dieser krankhaft zu nennenden Neigung zur Selbstaufgabe ist zu erklären, warum später, als sich der auf die Kommune zukommende enorme Flächenverlust abzeichnete, uns weisgemacht wurde, daß die Gemeinde finanziell bald enorm davon profitiere.
„Warten Sie mal ab, wenn erst mal die Bagger auf Elsdorfer Gemeindegebiet vordringen“, hieß es. Erfahrene Leute, wie der damalige Elsdorfer Heimatforscher Heinrich Schwartz oder der kürzlich verstorbene RWE-Aktionär Norbert Zingraf, zeigten die Haltlosigkeit dieser Argumentation deutlich auf. Wir wiesen also schon vor Jahrzehnten auf die riesigen entschädigungslos verbuchten Gebietsverluste der Gemeinde hin. Wir machten jedem, der es hören wollte klar, daß einmal genau das eintreten wird, was nun den heutigen Bürgermeister der Stadt Elsdorf veranlaßt, bei Bund und Land um finanziell Entschädigungen zu betteln. Doch die Neunmalklugen aus allen damaligen politischen Parteien, taten uns
als weltfremde Traumtänzer ab und verwiesen noch lange voller voller Stolz auf das viele Geld, das ja bald in die Elsdorfer Kassen gespült wird.
Und als angesichts der Realität dieses Fantasiegespinst irgendwann nicht mehr zu halten war, verfielen sie auf die neue Gewinnmasche Tourismus mit dem Freizeitpark Sophienhöhe, Terra Nova mit Speedway und dem riesigen Tagebausee als Paradies für alle Wassersportler. Sicher, wenn eines schönen Tages die Tauchpumpen rund um den Tagebau abgeschaltet werden, füllt sich die Katerlandschaft bis zu einer gewissen Höhe mit nachsickerndem Grundwasser.
Alles darüber hinaus ist ein weiteres Hirngespinst. Denn nicht zuletzt durch die zu lange aufrecht erhaltene Braunkohleverstromung, die ja für die Klimaerwärmung mitverantwortlich ist, schmelzen auch die Alpengletscher nun in kurzer Zeit rapide ab. Jahrhundertelang haben deren Eisströme auch den Rhein kontinuierlich mit Wasser versorgt. Und ausgerechnet dieser, dann auch von seinen Nebenflüssen unterversorgte Fluß, soll dann in den anschließenden Jahrzehnten das nötige Nass liefern, um die hochgejubelte Hambacher Freizeit-Oase zum zweitgrößten See Deutschlands anwachsen zu lassen.
In welcher Welt leben die Beherrscher der Zeichenbretter eigentlich? Denn man wird schon froh sein, wenn man bald noch die nötigen Mindestpegelstände halten kann, um zumindest die wichtige Rheinschifffahrt aufrechterhalten zu können.

Quelle:
20. Januar 2021 Kölnische Rundschau
20. Januar 2021 Kölner Stadt Anzeiger

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