Leserbrief von Dietmar Kinder, Elsdorf-Heppendorf:
„Zum Baden in den Wald“, wie schön das klingt. Und der Beitrag in der Kölnischen Rundschau hält auch, was er verspricht, nämlich wie gut es dem Menschen tut, wenn er den Erlebnisraum Wald für seine Gesundheit entdeckt, ihn mit allen Sinnen erfasst und, ganz ohne Google, Facebook, Twitter und Co, wieder zu sich selbst zurückfindet. Viele Kurorte, aber auch Hoteliers, überall in Deutschland haben das erkannt und überbieten sich mit Angeboten, die dafür eigentlich nur eines brauchen, einen ausgiebigen naturnahen Wald. Den hatten wir hier, im westlich von Köln gelegenen Elsdorf, noch bis vor wenigen Jahren auch, bis es RWE-Power, im Einklang mit kleinen und großen Politikern es fertigbrachte, den Menschen hierzulande den größten zusammenhängen Laubwald in Nordrein-Westfalen, mit uralten Buchen- und Eichenbestand zu nehmen. Der riesige Hambachwald, der Menschen seit Generationen von nah und fern anzog, wurde auf Teufel komm heraus abgeholzt und weggebaggert. Die Kettensägen kommen bis heute nicht zur Ruhe. Letzte Waldrestbestände sind noch heute, hier am Grubenrand des größten Loches der Welt, dem Braunkohle-Tagebau Hambach, zu besichtigen. Aber anstatt endlich mit dem Wahnsinn Schluss zu machen, geht die Wald- und Gesundheitswegnahme munter weiter. Ja, es gab sie mal die blühende, zum Waldbaden einladende Landschaft rund um Elsdorf, ohne Baggerlärm, ohne Wolken von lungen-aktivem Grob- und alveolen-gängigem Fein- und Feinstaub, den der vorherrschende Westwind nun bis zur Domstadt Köln trägt. Sicher, die Sonnenschirme und Liegestühle aus Blech, die man sinnigerweise am Grubenrand bei Berrendorf installiert hat, sollen den Leuten suggerieren, dass hier in achtzig bis hundert Jahren ein großer Badesee geben soll, der Elsdorf vielleicht zum Seebad macht. Aber vorerst dürfen hier die Bagger noch wühlen und uns zeigen, wie man Mondlandschaften herbeizaubert. „Terra Nova”, also „Neues Land” nennen die Macher diese Idylle, wozu notorischen Miesmachern wie mir nichts Besseres als „Verheizte Heimat“ und „Kohlrabien“ einfällt. Und damit die Leute, wenn schon nicht mehr in einem grünen Wald, dafür aber im grau-schwarzen Feinstaub des Abraums und der geförderten Kohle baden können, hat man hier, zum Lüften der Lungen, für Wanderer und Radfahrer einen – so heißt der wirklich – „Speedway“ eingerichtet. Und damit sich im Riesentagebau Hambach die selbst dörferfressenden Bagger Tag und Nacht tiefer und tiefer in die Erde hineinfressen können, wird bestes Grundwasser aus unterirdischen Gefilden unermüdlich abgepumpt. Die RWE-Power-Aktionäre, die meist ganz woanders in Waldnähe wohnen, machen mit der Elsdorfer Kohle tüchtig Kohle und verkohlen uns noch obendrein, indem man uns weismacht, das sei alles nur zu unserem Wohle. Und es seien tatsächlich auch nicht die Wolkenberge aus den nahen Kraftwerken, die unserem Klima zusätzlich schaden, sondern vielmehr die Kritiker, Nörgler und Schwarzseher, die hier im „Eines-Fernen-Tages-Kurort“ die ganze Atmosphäre gründlich verderben. Und dabei hatte ich – hier am beschaulichen Grubenrand mit dem Weitblick ins Erdinnere – gleichwohl schon wieder so boshafte Worte wie „Terra Mala“ und „Speedway to the Abgrund“ auf der Zunge.
Quelle:
10. April 2018 Kölner Stadt Anzeiger